Eine Potenzialanalyse zur Bestimmung optimaler Standorte für den Ausbau der Ladeinfrastruktur
März 2022 – Dr. Johann Eppelsheimer, Nina Gläser, Dr. Peter Haller, Prof. Dr. Daniel Heuermann
Zielsetzung und Ergebnisse
Die vorliegende Analyse untersucht anhand kleinräumiger Daten sowie einer KI-gestützten Analyse, in welchen Stadtteilen Regensburg das größte Potenzial für einen Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Mobilität besteht. Allgemein zeigt sich, dass sich die bestehende Infrastruktur zwar weitgehend an den Standortpotenzialen orientiert, jedoch insbesondere in der Innenstadt, im Universitätsviertel sowie im Regensburger Westen noch Potenzial für einen effektiven Ausbau der Ladeinfrastruktur besteht.
Rahmenbedingungen und Ausgangslage
Sowohl die Energie- als auch die Verkehrswende haben sich in den vergangenen Jahren zu zentralen Handlungsfeldern der Politik entwickelt. Eine wesentliche inhaltliche Gemeinsamkeit beider Politikbereiche besteht in der Zielsetzung, den Verbrennungsmotor als dominierende Antriebstechnologie durch alternative Mobilitätsansätze und -technologien zu ersetzen. Die Bundesregierung hat sich in den vergangenen Jahren mit der Kaufprämie von E-Autos sowie mit begleitenden Ansätzen zum Ausbau der entsprechenden Ladeinfrastruktur auf batteriebetriebene Antriebe als eine der zentralen Mobilitätsformen der Zukunft festgelegt. Durch die neue Bundesregierung werden diese Vorhaben weiterhin unterstützt und ausgebaut. Die Bundesländer flankieren diese Bemühungen vielerorts durch Förderprogramme zur weiteren Erschließung der Infrastruktur. So hat beispielsweise die bayerische Staatsregierung die Zielsetzung formuliert, bis zum Ende des Jahres 2020 insgesamt 7.000 Ladestationen in Bayern zu schaffen (Bayer. Staatsministerium f. Wirtschaft, 2021) und hierfür im Rahmen des Programms Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Bayern finanzielle Mittel bereitgestellt.
Auch in vielen Städten und Gemeinden ist die Transformation des Verkehrs vom Verbrennungsmotor hin zu emissionsärmeren Alternativen ein bestimmendes Thema. Ein Beispiel hierfür ist die Stadt Regensburg. Zur Beschleunigung der Energiewende sowie zur Stärkung des Technologiestandortes, in dem unter anderem die Firmen BMW und Continental ansässig sind, erhalten elektromobilitätsbasierte Ansätze im Rahmen des E-Mobilitätsclusters Regensburg eine besondere Förderung. Hierzu arbeitet die Stadt strategisch und operativ mit kommunalen und privaten Stromversorgern sowie mit Anbietern von Ladesystemlösungen zusammen. Als Ergebnis dieser gemeinsamen Bemühungen wurden allein im Jahr 2020 insgesamt 84 Ladesäulen durch den lokalen Energie- und Wasserversorger REWAG errichtet (Stadt Regensburg, 2021), sodass in Regensburg und den angrenzenden Ortschaften nun etwa 130 Ladesäulen zur Verfügung stehen (Ladeatlas Bayern, Stand Januar 2021). Mit 0,69 Säulen pro 1.000 Einwohner nimmt die Region damit eine Spitzenposition im Vergleich mit bevölkerungsmäßig ähnlichen bayerischen Städten ein (Ingolstadt: 0,43; Erlangen: 0,19). Das folgende Diagramm stellt die Ladesäulendichte in Regensburg und vergleichbaren Städten graphisch dar.
Zielsetzung der vorliegenden Studie
Wie auch in anderen Städten wird das Gelingen der Energie- und Verkehrswende in Regensburg wesentlich davon abhängen, ob es gelingt, die öffentliche Ladeinfrastruktur so auszubauen, dass sie den Mangel an privaten Lademöglichkeiten kompensiert und auf diese Weise die Elektromobilität zu einer alltagstauglichen Mobilitätsalternative aufwertet. Trotz der vergleichsweisen hohen bestehenden Dichten an E-Ladesäulen muss deshalb der weitere Ausbau der Ladeinfrastruktur vorangetrieben werden. Eine wesentliche Herausforderung dieses Ausbaus besteht daher mit Blick auf begrenzte öffentliche Mittel darin, Standorte zu identifizieren, die eine größtmögliche Nutzung und Auslastung der Ladesäulen erwarten lassen. Die vorliegende Analyse verfolgt das Ziel, entsprechende Standorte in der Stadt Regensburg zu identifizieren und auf diese Weise die Energie- und Verkehrswende in Regensburg auf planerischer Ebene zu unterstützen.
Daten und Methodik
Die Datengrundlage für die Potenzialanalyse bilden kleinräumige Geodaten. Diese enthalten als wesentliches Merkmal im vorliegenden Kontext die genauen Standorte der Ladesäulen in Deutschland. Diese Informationen Die Datengrundlage für die Potenzialanalyse bilden kleinräumige Geodaten. Diese enthalten als wesentliches Merkmal im vorliegenden Kontext die genauen Standorte der Ladesäulen in Deutschland. Diese Information wird mit besiedlungsstrukturellen und mobilitätsrelevanten Parametern, wie z.B. der lokalen Bevölkerungsdichte, der Infrastrukturanbindung und der Versorgung mit Einkaufmöglichkeiten und Schulen kombiniert und auf die Ebene von Rasterzellen mit einer Fläche von 100 mal 100 Metern aggregiert. Jede dieser Zellen enthält folglich Informationen darüber, ob sich auf ihrer Fläche bereits Ladesäulen befinden und welche sozio- und infrastrukturellen Eigenschaften sie aufweist. Der finale Datensatz umfasst insgesamt 1.052.408 Rasterzellen über 89 Städte in Deutschland.
Diese Daten werden mit einem Modell der Künstlichen Intelligenz ausgewertet. Die Kernidee besteht darin, den lernenden Algorithmus mithilfe kleinräumiger Geodaten so zu kalibrieren, dass dieser in der Lage ist, wesentliche Standortfaktoren für den Aufbau von Ladesäulen identifizieren. Der Computer lernt mithilfe dieses Modells, in welchem Umfeld vergleichbare Städte die Standorte ihre Ladesäulen plaziert haben. Paradigmatisch liegt diesem Ansatz das sogenannte Condorcet-Jury-Theorem zugrunde, nach dem eine große Menge an Entscheider:innen, in diesem Fall Kommunalverwaltungen bzw. Stadtplaner:innen, im Durchschnitt bessere Entscheidungen treffen als einzelne Entscheidungsträger:innen allein. Die Bestimmungsfaktoren, die in anderen Städten für die räumliche Verteilung der Ladesäulen maßgeblich waren, werden dazu genutzt, auf dieser Grundlage diejenigen Standorte in Regensburg zu ermitteln, deren lokale Eigenschaften eine Ladeinfrastrukturerschließung nahelegen. Als Grundlage für die Analyse ziehen wir 89 Städte in Deutschland heran, die hinsichtlich ihrer Größe und Eigenschaften mit Regensburg vergleichbar sind. Anhang 2 enthält eine Liste dieser Städte.
Räumliche Potenzialanalyse
Die folgende Abbildung stellt die Ergebnisse der räumlichen Potenzialanalyse kartographisch dar. Die roten Punkte markieren die 106 Ladesäulen, die sich im Regensburger Stadtgebiet befinden. Die blauen bzw. grünen Quadrate hingegen zeigen das Potenzial für Ladesäulen an. Generell gilt: je dunkler blau eine Rasterzelle bzw. eine Gegend ist, umso mehr weist sie die Eigenschaften der Gegenden auf, in denen andere Städte sich für den Aufbau einer E-Ladesäule entschieden haben.
Ein Vergleich zwischen der bestehenden Ladeinfrastruktur (‚rote Punkte‘) und den potenziellen Standorten (‚dunkelblaue Flächen‘) ist in zweierlei Hinsicht informativ. Zum einen lässt sich auf diese Weise überprüfen, ob die Potenzialanalyse in einem sinnvollen Zusammenhang mit der bisherigen Politik bzw. den Entscheidungen in Regensburg steht (‚performance precision‘). Zum anderen lassen sich auf diese Weise Standorte identifizieren, die ein hohes Potenzial aufweisen, bisher jedoch noch nicht über eine entsprechende Ladeinfrastruktur verfügen.frastruktur verfügen.
Hinsichtlich des ersten Aspekts fällt auf, dass die Potenzialanalyse räumlich mit den vorhandenen Ladesäulen korreliert. Besonders wird dies anhand der gedanklichen Achse von der Stadtmitte in Richtung Südwesten deutlich. Dies bedeutet, dass Standorte, die anhand ihrer Charakteristika auch in anderen Städten ausgewählt worden wären, auch in Regensburg bereits häufig mit Ladesäulen ausgestattet wurden. Dies bestärkt das methodische Vorgehen der Analyse insoweit, als dass die Kriterien der Standortentscheidung in Regensburg ähnlich zu denjenigen zu sein scheinen, die in vergleichbaren Städten genutzt werden.
Darüber hinaus zeigt die Darstellung allerdings auch, dass einige Gebiete, die ein hohes Potenzial aufweisen, mit vergleichsweise wenig E-Ladesäulen ausgestattet sind. Der Blick fällt hierbei vor allem auf drei Stadtteile, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.
Ladesäulen in Regensburg: Detailanalyse
Innenstadt
Die Regensburger Innenstadt weist insgesamt das größte zusammenhängende Potenzial einer Erschließung durch E-Ladesäulen auf. Dies ist insoweit schlüssig, als dass die Bevölkerungsdichte hoch und die Verfügbarkeit von privaten Parkplätzen gering ist. Hierdurch entsteht eine große Nachfrage nach Lademöglichkeiten im öffentlichen Raum und damit ein erhebliches Potenzial für eine weitere Verdichtung der Ladeinfrastruktur an zentralen Orten. Zu beachten ist bei den weiteren Überlegungen allerdings, dass die Innenstadt weitgehend verkehrsberuhigt ist und demnach auch nur wenige öffentliche Parkplätze zur Verfügung stehen. Ein effizienter bzw. leicht skalierbarer Ausbau der Ladeinfrastruktur müsste sich folglich vor allem auf die bestehenden Parkhäuser, z.B. durch entsprechende Ausstattung und Ausweisung dortiger Ladeparkplätze, konzentrieren. So könnten auch Pendler:innen oder Einkaufstourist:innen erreicht werden, die die Regensburger Innenstadt mit dem Auto anfahren.
Südlich der Innenstadt (Galgenberg /Universität / Karthaus)
Ein schnell wachsender Stadtteil Regensburgs ist das Gebiet um die Universität. Dies liegt vor allem an den bereits umgesetzten umfangreichen Neubauvorhaben im Stadtteil Galgenberg, der gegenwärtigen Umwidmung des ehemaligen Kasernengeländes in Bauland sowie der Ansiedlung des Regensburger Innovationsparks fußläufig zur Universität und zur Hochschule Regensburg. Trotz dieser dynamischen Entwicklung weist die Gegend derzeit erst sechs öffentliche Ladesäulen auf. Gerade die Universität mit knapp eintausend Stellplätzen sowie die Parkplätze um das Gründungszentrum herum bieten das Potenzial für ein Vielfaches dieser Anzahl, was auch unsere graphische Analyse zeigt. Die Einrichtung weiterer Ladesäulen würde darüber hinaus den innovativen Charakter der betreffenden Stadtteile unterstreichen.
Regensburg West / Prüfening
Im Stadtteil Regensburg-West / Prüfening gibt es – je nach Abgrenzung – zwar bereits zwischen 10 und 15 Ladestationen, bei genauem Hinsehen wird jedoch gerade in diesem Teil der Stadt eine erhebliche Divergenz zwischen Ladesäulenpotenzial und tatsächlicher Infrastruktur deutlich. So befinden sich die bisherigen Ladestationen vorwiegend direkt an der Autobahn A93 oder in den Randbereichen des Stadtteils. Ein zentraler Knotenpunkt, insbesondere für Pendler:innen, die Park-and-Ride-Kombinationen nutzen, ist jedoch der Regionalbahnhof Regensburg-Prüfening, durch den der Stadtteil gut an den regionalen Schienenverkehr in Richtung Ulm, Ingolstadt und Regenburg-Zentrum angebunden ist. Konsequenterweise weist unsere KI-Analyse gerade für diese Gegend ein erhebliches Potenzial auf. Angesichts der bereits bestehenden Park-and-Ride Parkplätze würde es sich anbieten, in diesem Bereich die Einrichtung von Ladesäulen zu prüfen und das ausgewiesene Potenzial zu nutzen.
Zusammenfassung
Innerhalb der Gruppe vergleichbarer Städte ist Regensburg beim Auf- und Ausbau der Ladesäulenkapazität führend. Auf sehr kleinräumiger Ebene hat die vorliegende Analyse darüber hinaus bestätigt, dass die Investitionen in die Ladeinfrastruktur sich räumlich weitgehend am bestehenden Nachfragepotenzial orientiert. Dennoch ist auf der Grundlage der geocodierten Daten sowie der KI-gestützten Analyse deutlich geworden, dass insbesondere die Innenstadt sowie das Universitätsviertel und der Regensburger Westen von einem punktgenauen Ausbau profitieren können. Eine weitere Analyse durch urban analytica, beispielsweise des Wahlverhaltens und des Pendelaufkommens in den besagten Gebieten könnten diese Potenziale spezifizieren und die bestehende Analyse weiter validieren.
Anhang: Liste aller Städte im Datensatz
Aachen, Augsburg, Bamberg, Bergisch Gladbach, Bottrop, Braunschweig, Bremerhaven, Chemnitz, Cottbus, Darmstadt, Delmenhorst, Dessau-Roßlau, Düren, Erfurt, Erlangen, Esslingen am Neckar, Flensburg, Freiburg im Breisgau, Fürth, Gelsenkirchen, Gera, Gießen, Gladbeck, Göttingen, Gütersloh, Hagen, Halle (Saale), Hamm, Hanau, Heidelberg, Heilbronn, Herne, Hildesheim, Ingolstadt, Iserlohn, Jena, Kaiserslautern, Kassel, Kiel, Koblenz, Konstanz, Krefeld, Leverkusen, Ludwigsburg, Ludwigshafen am Rhein, Lübeck, Lüneburg, Lünen, Magdeburg, Mainz, Marburg, Marl, Minden, Moers, Mönchengladbach, Mülheim an der Ruhr, Neumünster, Neuss, Norderstedt, Oberhausen, Offenbach am Main, Oldenburg (Oldb), Osnabrück, Paderborn, Pforzheim, Potsdam, Ratingen, Recklinghausen, Regensburg, Remscheid, Reutlingen, Rheine, Rostock, Saarbrücken, Salzgitter, Schwerin, Siegen, Solingen, Trier, Tübingen, Ulm, Velbert, Viersen, Villingen-Schwenningen, Wiesbaden, Wilhelmshaven, Witten, Wolfsburg, Worms, Würzburg, Zwickau
Literatur
Bayer. Staatsministerium f. Wirtschaft (2021), Ladeatlas Bayern, Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, https://ladeatlas.elektromobilitaet-bayern.de/.
Bayer. Staatsministerium f. Wirtschaft (2021), Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Bayern, Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, https://www.stmwi.bayern.de/service/foerderprogramme/ladeinfrastruktur/.
Stadt Regensburg (2021), Ladeinfrastruktur, https://www.regensburg.de/leben/verkehr-u-mobilitaet/elektromobilitaet/elektromobilitaet.